Fronleichnam – fröhliches Leichenschmausen also? Die Katholiken sind echt schräg, könnte man meinen. Bloß, wozu darüber nachdenken? Hauptsache es gibt einen freien Feiertag, der uns ein langes Wochenende beschert. …Diese Gedanken werden so manch einem bei dem Wort Fronleichnam aufploppen. Nicht jedoch bei den Leipziger Bewohnern. Gerade hat sich Leipzig vom schwarzbunten WGT erholt, da stürmen nun wieder die Massen die freien Plätze der Messestadt. Diesmal ist alles in lebensbejahendem, frischen Grün gehalten und fromme Menschen weltweit pilgern hierher, um gemeinsam zu beten, zu singen und zu diskutieren. Denn Leipzig ist Austragungsort des diesjährigen Katholikentages, und dann auch gleich zum 100. Jubiläum.
Dies mag zugegeben, nicht gerade spektakulär klingen, doch wenn plötzlich weit über 30.000 Besucher erwartet werden, und das für ein Glaubensfest, dann ist das selbst für Leipzig außergewöhnlich. Viele Leipziger verwirrt der Anblick von Nonnentracht und Mönchskutten. Katholiken machen gerade einmal 4,3 Prozent der Leipziger Bevölkerung aus. Hunderte Teilnehmer müssen gar in Schulen einquartiert werden, da es an katholischen Gastgebern mangelt. Fronleichnam gilt nicht mal als Feiertag in dieser protestantischen Region. Martin Luther ist einfach näher dran als der Papst.
Doch getreu dem Motto: „Seht, da ist der Mensch“ siegt die Neugierde über die Skepsis. Multimediale Großevents auf den öffentlichen Plätzen und multikulturelle Veranstaltungen an rund 100 verschiedenen Orten bringen die Fragenden und die Überzeugten zusammen. Für ein gutes Konzert wagt sich der ein oder andere Atheist gar in eine der 28 beteiligten Kirchen. Und wer durch die provisorische Zeltstadt auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz schlendert, der wird überrascht sein. Sogar Post und Polizei warten mit Ständen auf. Zauberer, Gewinnspiele, Fair-Trade-Gastronomie und Liegestühle laden zum Verweilen ein und erlauben interessante Gespräche, die mit „bekehren“ nichts zu tun haben. Es ist erstaunlich, wie viele Bildungs-, Berufs- und Zukunftsperspektiven geboten werden. Plötzlich scheint es so unkompliziert, einfach mit anzupacken und sich zu engagieren. Die Stimmung gleicht einem Ferienlager, man ist umgeben von jungen und gut gelaunten Menschen.
Neugierig aufeinander bleiben, aufeinander zugehen, sich kennenlernen. Für diese Offenheit sind die Sachsen berühmt, egal welcher Glaubensgemeinschaft sie angehören. Und gemeinsam zu feiern, das Brot und den Wein zu teilen, das entspricht voll und ganz dem Fronleichnam, der den „lebendigen Leib des Herren“ in Form des Abendmahles huldigt.
Die Freitagsgefühl Redaktion wünscht euch ein aufregendes Wochenende mit neuen Impulsen und neuen Freunden, ganz gleich welchen Glaubens.