Wartest du noch … oder besinnst du dich schon?

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(c) Robert Neumann

Keine Eissterne am Fenster, keine Schneeengel im Garten, kein Duft frisch gebackener Bratäpfel im Haus. Statt heimeliger Dörfer in besinnlichen Adventsgeschichten nur Großstadthektik, müffeliges Shopping-Gedränge und verstopfte Straßen. Zum klebrigen Glühwein bei lauwarmen Nieselregen gesellt sich auf dem Weihnachtsmarkt das mulmige Gefühl der Furcht vor Anschlägen und Handtaschenklau.

Ja, Weihnachten ist immer um die gleiche Zeit und ja, die Supermärkte erinnern einen bereits seit den letzten Sommertagen daran. Und trotzdem mag sich das freudige, kribbelnde Vorweihnachtsgefühl aus Kindertagen nicht so recht einstellen, sondern eher ein „Huch, schon wieder 1. Advent?“ Die Medien überrollen uns mit beschaulichen Weihnachtsvisionen, schüren Begehrlichkeiten, predigen Familienharmonie und Geschenkesegen. Das erzeugt einen Erwartungsdruck, der nicht zu erfüllen ist; das beginnt bei dem Wunsch nach weißer Schneepracht und endet in einer sinnlosen Konsumschlacht. Doch wieso den Stresspegel unnötig hochfahren? Advent bedeutet warten, sich vorzubereiten, und nicht, medial inszenierten Erwartungen nach zu hetzen. Ursprünglich, also im 4. Jahrhundert, verbrachten die Christen die Adventszeit mit Warten, Fasten und einer Fülle an guten Taten. Es wäre einen Versuch wert, dies neu zu interpretieren. Zum Beispiel mal Smartphone und Flimmerkiste ausschalten und stattdessen in einem Seniorenheim vorlesen. Oder sich bewusst rausnehmen aus der alltäglichen Bürolästerei und dem bedenkenlosen Konsumrausch. Dafür die Lebkuchenherzen mit den anderen Wartenden an der Haltestelle teilen. Nicht an Kassenschlangen warten, sondern zuhause darauf, dass der Tee durchzieht. Vielleicht brennt dabei die Kerze mit Bratapfelduft, vielleicht setzt sich unerwartet die erste Schneeflocke am Fensterrahmen nieder. Vielleicht wälzen sich Kinder vorm Fenster kichernd im Laub, fast als würden sie Schneeengel formen…

Die Freitagsgefühl Redaktion wünscht euch eine wundervolle Adventszeit, mit weniger Maßlosigkeit und mehr Ruhemomenten, mit weniger enttäuschenden Illusionen und mehr ernstgemeinter Herzlichkeit.

 

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